Post-Doctoral research at the Academy of Media Arts Cologne

Das hier skizzierte Projektvorhaben soll zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit den Computerspieltieren führen. Tiere sind oftmals essentieller Bestandteil von digitalen Spielen. Sie sind Teil eines Design-Repertoirs zum Ausgestalten von Welt und Atmosphären. Die Repräsentation des digitalen Tieres und die daraus abgeleitete Glaubhaftigkeit ihrer Präsenz in der Welt scheint nicht zwingend durch eine fotorealistische Darstellung verstärkt zu werden. Sehr wohl kommt es jedoch durch die Weiterentwicklung von Shadern, Texturen, Skripten und Render-Engines zu einer Überinszenierung des Animalischen, des Wilden und des Bestialischen. Bestialität und Wildheit entstehen durch die Performativität des Computerspieltiers in Interaktion mit den Spielern, die wiederum von den Mechaniken und Interaktionsregeln gerahmt wird. Durch diese konfigurative Verfasstheit lassen sich digitale Spiele nicht auf ihre Repräsentationsfunktion reduzieren. Denn digitale Spiele spannen auch Handlungsräume auf und stellen Verhandlungsräume zur Verfügung, in denen Tier und Mensch sich begegnen und miteinander interagieren können. Die Prämisse dabei ist, dass sich in die Ausgestaltung der Tiere die Perspektive der Produzenten auf das Thema widerspiegelt, die sich sodann in einer produzierten Materialität - wie Texturen, Skripten, und Animationsabfolgen - ausdrückt. Das Computerspieltier ist immer konstruiert, sein Verhalten programmiert. Was Tiere im Computerspiel vor allem zeigen, ist die Art und Weise, wie die Designer über Tiere und deren Wildheit nachdenken, bzw. wie angenommen wird, dass eine potentielle Käuferschaft hierüber denkt.

Ausgehend von diesen Überlegungen soll das Computerspieltier historisch, spieltheoretisch, technisch und ästhetisch untersucht werden. Im Modus des Spielens treffen menschliche und nicht-menschliche Handlungen aufeinander und formen eine Gemeinsamkeit, die nach dem Spieletheoretiker Johan Huizinga Kultur produziert. Diese Grundannahme schafft die gemeinsame Basis für das hier vorgestellte Projekt und dient als utopisch-philosophische Ausgangsposition für die weiteren Untersuchungen. Die audiovisuelle Darstellung der digitalen Tiere soll historisch und entlang einer Technikentwicklung aufgezeigt werden. Hierbei soll verstärkt der Entwicklung von Animationsabfolgen und deren Einbindung in eine historisch-geprägte Übersetzungskette nachgegangen werden: Von den ersten Bewegungsfotografien Eadweard Muybridge, über die Bewegungsstudien Walt Disneys am Schweinestall bis hin zur IK-Animation und Motion-Capture von Tieren in aktuellen First-Person-Shootern. Durch Interviews mit den Produzenten von Inszenierungen digitaler Tiere soll zudem eine praxistheoretische Perspektive aufgezeigt werden, in der Designentscheidungen be- und hinterfragt werden.

Dem folgt eine genaue Analyse bestehender Beziehungsverhältnisse zwischen Avatar/Tier und der Frage nach der Inszenierung einer eindringlichen Begegnung mit dem Wilden im Moment einer ästhetischen Erfahrung. Dieser In-Game-Analyse wird die externe Position einer Spielegemeinschaft gegenübergestellt, die durch das Modifizieren von Computerspielen ihre eigene Vorstellung von Tier-Mensch-Verhältnissen in das Spiel injizieren und modellieren. Durch eigene, praxisbasierte Experimente soll dieses Wissen der Modding-Community für die eigene Recherche nutzbar gemacht werden. Der Moment dieses Reenactment subkultureller Handlungsprinzipien birgt eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Materialebene des Computerspiels und soll, neben dem Praxisverständnis, auch Materialien und deren Eigenschaften zum Vorschein bringen, die ansonsten durch deren Gesamtkomposition durch die Game-Engine versteckt bleiben. Das erschlossene Material soll ebenfalls in den Rechercheprozess mit eingebunden werden. So können beispielsweise auskommentierte Zeilen animalischer KI-Skripte Aufschluss darüber liefern, wie hier das Wilde durch Programmcode normalisiert und domestiziert wird.